Das Literarische Quartett mit Thea Dorn und Gästen
Mit ihren Gästen debattiert sie über aktuelle Neuerscheinungen von Bernardine Evaristo, George Saunders, über einen bislang unveröffentlichten und unvollendeten Roman aus dem Nachlass von Gabriel García Márquez und einen Klassiker der Weltliteratur von Franz Kafka:
Franz Kafka: "Die Verwandlung"
"Als Gregor Samsa eines Morgens aus unruhigen Träumen erwachte, fand er sich in seinem Bett zu einem ungeheuren Ungeziefer verwandelt." Es ist einer der berühmtesten ersten Sätze eines Romans und wurde zu Weltliteratur. Der stets pflichtbewusste Handlungsreisende Samsa verwandelt sich in Franz Kafkas Erzählung in einen Käfer. Niemanden erstaunt die Verwandlung, sie wird hingenommen. Der zum Insekt Verwandelte, eingeschlossen in seinem Zimmer, wird zum Einzelgänger, der sich vorwirft, nicht mehr zum Lebensunterhalt seiner Familie beitragen zu können. Alle schweigen über den Irrwitz und die Rätselhaftigkeit des Geschehens. Eine Parabel auf die bedrückende Ohnmacht des Menschen angesichts einer verborgenen, mächtigen Autorität und den Irrsinn der modernen Leistungsgesellschaft.
Durch den Angriff fühlte ich mich auch plötzlich in ein riesiges Insekt verwandelt. Ich lag in einem Bett, habe mit meinen Beinchen in der Luft herumgerudert.
Sir Salman Rushdie
London im Jahr 211 nach Christus. Zuleika ist widerspenstig, schlagfertig und außerordentlich schön. Mit elf Jahren verheiratet ihr Vater, ein Einwanderer aus Nubien, sie an einen alten aber reichen Patrizier. Doch Zuleika fügt sich keineswegs in ihr Schicksal und kämpft um ihre Freiheit in einer Stadt, deren Gesetze von Geld, Sex und Macht bestimmt werden. Dann aber begegnet sie dem römischen Kaiser Septimius Severus und ihr Leben gerät vollends aus den Fugen.
George Saunders: "Tag der Befreiung"
George Saunders skizziert Menschen in einer zutiefst verunsicherten Gesellschaft und ihre realen und eingebildeten Gefängnisse. Seine Erzählungen handeln von Macht und Moral, Liebe und Verlust, von der Sehnsucht nach Nähe und dem Versuch, sich von allem zu befreien. Und davon, dass die Befreiung zuweilen eine noch größere Katastrophe birgt.
Gabriel García Márquez: "Wir sehen uns im August"
Jedes Jahr im August besucht Ana Magdalena Bach das Grab ihrer Mutter auf einer Insel in der Karibik. Jedes Jahr übernachtet sie in einem Hotel und verspeist, immer allein, einen Schinken-Käse-Toast. Dieses Mal jedoch wird sie von einem Mann zu einem Drink eingeladen. Es entspricht weder ihrer Erziehung noch ihren strengen Prinzipien von ehelicher Treue, aber sie nimmt den Unbekannten mit auf ihr Zimmer. Zu Lebzeiten verfügte der Literatur-Nobelpreisträger zunächst, dass dieser unvollendete Roman nicht veröffentlicht werden solle. "Das Buch taugt nichts. Muss vernichtet werden", so sein Verdikt zu den Entwürfen. Auf einer letzten Fassung aber lautete sein Vermerk: "Gran OK" ("Großes OK"). (Quelle NZZ)
Die Gäste
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Vita
Sir Salman Rushdie, 1947 in Bombay geboren, ging mit vierzehn Jahren nach England und studierte später in Cambridge Geschichte. Er ist bekannt für Romane wie "Mitternachtskinder" (1981), für den er den Booker Prize erhielt, und "Die Satanischen Verse" (1988), der eine Kontroverse auslöste und eine Fatwa gegen ihn verursachte. Rushdie lebte daraufhin jahrelang im Versteck, setzte seine Karriere aber fort und veröffentlichte weitere erfolgreiche Werke wie "Das Moor von Venedig" (1995) und "Quichotte" (2019). Im August 2022 wurde Salman Rushdie während einer Lesung auf offener Bühne mit einem Messer angegriffen und schwer verletzt. Die Geschichte dieses Attentats verarbeitet er in seinem neuesten Buch "Knife" (2024). Rushdie ist eine herausragende Stimme für Meinungsfreiheit und gegen religiöse Intoleranz. 2022 ernannte ihn das deutsche PEN-Zentrum zum Ehrenmitglied. 2023 wurde er mit dem Friedenspreis des Deutschen Buchhandels ausgezeichnet.
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Vita
Juli Zeh, 1974 in Bonn geboren, Jurastudium in Passau und Leipzig, Promotion im Europa- und Völkerrecht. Schon ihr Debütroman "Adler und Engel" (2001) wurde zu einem Welterfolg, inzwischen sind ihre Romane in 35 Sprachen übersetzt. Juli Zeh wurde für ihr Werk vielfach ausgezeichnet, u.a. mit dem Thomas-Mann-Preis (2013) und dem Heinrich-Böll-Preis (2019). Im Jahr 2018 erhielt sie das Bundesverdienstkreuz und wurde zur Richterin am Verfassungsgericht des Landes Brandenburg gewählt. Zuletzt erschien ihr zusammen mit Simon Urban verfasste Bestseller "Zwischen Welten".
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Vita
Deniz Yücel, geboren 1973 in Flörsheim am Main, ist ein deutsch-türkischer Journalist und Publizist. Er war von 2007 bis 2015 Redakteur der taz und ist seit 2015 Korrespondent und Autor der WeltN24-Gruppe des Axel Springer Verlags. Zudem ist er Mitherausgeber der Wochenzeitung Jungle World. Vom Februar 2017 bis Februar 2018 befand sich Yücel als Türkei-Korrespondent wegen angeblicher Terrorpropaganda in türkischer Untersuchungshaft. In Deutschland gab es zahlreiche Solidaritätskundgebungen für eine sofortige Freilassung. Von 2021 bis zu seinem Rücktritt 2022 war Yücel Präsident des PEN-Zentrums Deutschland und ist seit Juni 2022 mit Eva Menasse Sprecher des PEN Berlin.
Das Literarische Quartett als Podcast
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Podcast
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